Dr. Silke Schmitt Oggier - Med. Leiterin von sante24
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5 Fragen an Dr. Silke Schmitt Oggier - Muss der Skidaumen meines Sohnes (8) wirklich operiert werden?

«Ich rufe aus den Skiferien an. Unser Sohn Luca (8) hatte einen Unfall mit dem Snowboard und danach eine enorme Schwellung und starke Schmerzen im Daumen, da wo der Daumen aus der Hand rauskommt. Im Spital sagte man uns, es sei ein ‹Skidaumen›, der morgen operiert werden muss. Ich selber hatte aber auch schon vor ein paar Jahren einen Skidaumen. Da musste gar nichts operiert werden, sondern ich bekam einen Gips zur Ruhigstellung für ein paar Wochen, und alles ist wunderbar verheilt. Wollen die im Skigebiet einfach nur Geld machen mit der Operation?» So sprudelt es aus Herrn Camenzind am santé24-Telefon heraus. Besorgnis und Angst sind in seiner Stimme gut zu hören. Nachdem die santé24-Gesundheitsberaterin sich vom gestressten Vater noch die Unterlagen, die er vom Notfallzentrum des Spitals bekommen hat, via BENECURA-App zur Verfügung stellen lässt, gibt sie die Beratung ins Ärzte-Team weiter.   


Was ist ein Skidaumen?

«Skidaumen» nennt man umgangssprachlich ein Verletzungsmuster am Grundgelenk des Daumens, der in der Regel aufgrund eines Unfalls abgespreizt bzw. nach aussen umgebogen wurde, zum Beispiel beim Sturz auf die Hand oder indem man in der Schlaufe des Skistocks hängenbleibt. Für die Stabilität und die Greiffunktion des Daumens, also um den Daumen gezielt und mit Kraft nach innen gegen die anderen Finger oder die Handfläche zu bewegen, ist dieses Gelenk sehr wichtig. Es besteht wie die meisten Gelenke aus knöchernen Gelenkflächen und mehreren Bändern, die das Gelenk stabilisieren und als Muskelansatz dienen, damit wir willentliche Bewegungen ausführen können. Wenn eines oder mehrere dieser Gelenkanteile beim Unfall Schaden nimmt, verursacht das starke Schmerzen, eine meist deutliche Schwellung und der Daumen kann nicht mehr zum Greifen geschlossen werden. Ohne adäquate Therapie besteht die Gefahr, dass das Gelenk instabil bleibt.

Kann ein Skidaumen nur beim Skifahren vorkommen?

Die Bezeichnung «Skidaumen» ist darauf zurückzuführen, dass in zwei von drei Fällen die Betroffenen tatsächlich direkt von der Skipiste kommen. Die Verletzung kann aber auch bei anderen Sportarten wie z.B. beim Handball oder Basketball beim Fangen eines sehr kraftvollen Wurfs vorkommen. Auch beim Trampolinspringen, Turnen oder bei Kraftsportarten ist diese Art der Verletzung nicht untypisch, ebenso bei Stürzen im Haushalt oder mit dem Velo. 

Wie unterscheidet sich ein Skidaumen bei Erwachsenen, Jugendlichen und kleineren Kindern?

Es gibt insgesamt verschiedene Schweregrade der Verletzung. Bei einer leichteren Verletzung überdehnt man lediglich das Seitenband an der Seite zur Hand. Bei einer stärkeren Verletzung hingegen reisst das Band, wodurch das Gelenk „aufklappbar“ wird. Ein Sonderfall ist der knöcherne Ausriss des Seitenbandes an seiner Ansatzstelle am Knochen, der sogenannte «knöcherne Skidaumen». Dieser Verletzungstyp tritt im Kindes- und Jugendalter im Gegensatz zu Erwachsenen häufiger auf als die reinen Band-Verletzungen. Eine Röntgenuntersuchung des Daumens gibt Aufschluss, ob ein knöcherner Abriss des Bandes vorliegt und kann sonstige Brüche im Verletzungsbereich ausschließen. Eine Ultraschalluntersuchung ermöglicht die Unterscheidung, ob es bei einer Verletzung des Bandes zu einer Einklemmung eines Bandanteiles gekommen ist, was ein Grund für eine operative Versorgung wäre.

Was sind die möglichen Therapieoptionen?

Die primäre Behandlung für teilweise gerissene Bänder ist eine Ruhigstellung im Gipsverband. Liegt ein ausgedehnterer Schaden des Bandes vor, oder ist das Band sogar ganz gerissen und umgeschlagen, ist eine operative Bandnaht notwendig. Auch Knochenbrüche oder knöcherne Ausrisse, die nicht oder nur geringfügig verschoben sind, können konservativ mittels Ruhigstellung im Daumeneinschlussgips («St. Moritz Gips») behandelt werden. Verdrehte Fragmente, Stufen im Gelenk und stark verschobene Knochenteile müssen operativ versorgt bzw. fixiert werden. Wenn die Entscheidung für eine Operation gefallen ist, müssen bei Kindern das Alter und das Vorhandensein oder Fehlen einer offenen Wachstumsfuge für die Wahl der richtigen operativen Technik berücksichtigt werden.

Wie lange darf man den Daumen nicht bewegen? Und ist er danach nicht steif ?

Bei teilweisen Bänderrissen wird der Daumeneinschlussgips in der Regel für vier Wochen belassen. Bei konservativ behandelten knöchernen Verletzungen muss man mit vier bis sechs Wochen rechnen. Nach operativer Fixierung von Knochenstücken kommt es auf die Operationsmethode und den postoperativen Verlauf an, die Dauer der Ruhigstellung ist jedoch in etwa ähnlich wie bei den konservativen Therapien. Die Mobilisierung nach der Ruhigstellung ist bei Kindern in der Regel viel weniger ein Problem als bei Erwachsenen. Kinder vergessen beim Spielen und im Alltag etwaige Schmerzen oder Einschränkungen und fangen einfach wieder an, den Daumen zu gebrauchen. Bei Erwachsenen ist eine möglichst frühzeitige Physiotherapie sinnvoll. Sehr förderlich, um die Greiffunktion des Daumens zu üben ist es, einen Naturschwamm im lauwarmen Wasser immer wieder mit der ganzen Hand auszudrücken.

 

Nachdem der santé24-Arzt die Unterlagen aus dem Spital gesichtet hat ist klar, dass Luca tatsächlich einen verschobenen knöchernen Bandausriss erlitten hat, der operativ wieder an der richtigen Stelle fixiert werden muss. Die Indikation zur Operation wurde also korrekt gestellt. Mit den Erklärungen des santé24-Arztes ist Herrn Camenzind jetzt auch der Unterschied zu seiner früheren Verletzung klar, obwohl beide in der Laiensprache «Skidaumen» genannt werden. Dass Luca operiert werden muss, lässt sich also nicht verhindern. Die Familie Camenzind ist aber beruhigt, dass die Ärzte im Spital die korrekte Abklärung und Entscheidung fürs weitere Vorgehen getroffen haben. 

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